Meine Lyrikecke im Traumschloss
   
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  Stimmungsgedichte IX
 


Stimmungsgedichte IX


• In der Nacht
• Lebensscheiben
• Banges Warten




In der Nacht

In der Nacht wispern Blätter im Baum,
fällt zusammen ein Kartenhaustraum,
läuten Gefühle laut Sturm,
krümmen sich Seelen zum Wurm.

In der Nacht fliegen Geister umher,
tun Gedanken sich unendlich schwer,
schlendern Huren durch Straßen,
zertrümmern sich Männer die Nasen.

In der Nacht lieben Menschen sich leicht,
werden Säuglingen Brüste gereicht,
stolpern Straßenkinder umher,
steigt generell der Liebes-Verkehr.

In der Nacht verbergen sich Frauen
vor Männern die sie verhauen,
pennen Obdachlose im Freien,
gehen Betrunkene lautwürgend speien.

In der Nacht liegt traurig man wach,
beseelt sich erneut Ungemach,
kosen Frischvermählte im Bett,
treiben es manche im Swingerclub nett.

In der Nacht gibt es Licht und auch Schatten,
verzocken im Hinterraum Gatten,
den Lohn für Miete und Essen,
Mein Gott, ist die Nacht doch vermessen!

© Helga Boban ~ Schlossfee 09.04.2006










Lebensscheiben

Ich würd' gern mein Leben in Scheiben aufschneiden,
dann hätt ich einen Stapel zum Beispiel fürs Leiden.
Den nähme ich mir– ohne ihn zu verlieren
und würde ihn erst einmal tiefgefrieren.

Den Haufen mit Freude und kullerndem Lachen
würde ich generell zum Hauptstapel machen.
Diesen Vorrat halte ich mir niemals zu klein,
denn Freude sollte ausreichend abrufbar sein.

Krankheitsaufschnitte leg ich sanft in ein Kästchen,
den Schlüssel dazu verberg' ich im Westchen.
Doch weiss ich gewiß, dass trotz Schloss sie entkommen,
nun gut, dann wird eine Krankheit „genommen“.

Die Tränen, die Ängste und all’ meine Sorgen,
die Scheiben reserviere ich mir für das Morgen.
Aber auch jene sind zu gerne flüchtig und laufen,
mich eines Tag’s unverhofft über den Haufen.

Am wenigsten brauch ich den Liebeskummer,
er bringt bei Nacht mich um den redlichen Schlummer.
Auf ihn will ich wirklich recht gerne verzichten,
drum werd ich die Scheiben am besten vernichten.

Dezimiert, verräumt und tiefgefroren,
hab dabei einen Teil meines Lebens verloren.
Ich denke die Einheit des Lebens macht Sinn
und nicht das Stückeln und Wühlen darin.

© Helga Boban ~ Schlossfee 30.05.2006












Banges Warten

Mit verquollenen Augen
an die Zimmerdecke starren,
frieren - mich zudecken,
schwitzen - mich aufdecken.
Hände die unaufhaltsam
auf Bettlaken hin- und hergleiten, 
während Rosen in häßlichen Vasen
sinnlich duftend dahinwelken.

Am Bett nebenan Besuch.
Aufgeräumtes Stühlerücken,
raschelnde Geschenkfolie,
wattebauschiger Ohrenlärm und
morbides Nasenbetäuben .
Nichts durchdringt mich so
wie das Ticken der Uhr.
Tak-tik.

In ordentlicher Rangfolge
hereinquellender Ärztepulk.
Chefarzt mit abgeheftetem Befund
unterm weiß-gestärkten Kittelarm.
Ringbuch der Entscheidung
mit einer Spirale aus OP-Stahl.
Wortgewandtes Vorbohren
fürs acht-uhr-date morgen früh.

Rasiergeschäumte Hoffnung
rauscht mit
abgeduschten Gedankenfetzen
durch den Syphon der Angst.
Geflieste Morgenhektik im
keimfreien Warteraum.
Im Netzhöschen drapiert
eiskalt liegend serviert.

© Helga Boban ~ Schlossfee 04.04.2006








 
 
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